Ein Arzt hält ein Buch mit einer Abbildung einer Hand in den Händen.

© Arnd Hartmann

Dr. Franz Stefan Biber, Chefarzt der Handchirurgie am Ameos Klinikum, operiert jede zweite Woche ein Karpaltunnelsyndrom.

Was ständig einschlafende Hände bedeuten können

Karpaltunnelsyndrom - Viele verbinden damit eine Schiene um das Handgelenk. Dahinter steckt aber mehr und ohne Behandlung kann es schlimme Folgen haben.

Das große Kribbeln

Beim Karpaltunnelsyndrom schlafen regelmäßig Hände ein - Jeder sechste Erwachsene betroffen

Beim Aufwachen kribbelt die Hand, das Halten der Flasche schmerzt, die Finger sind taub - zehn Prozent aller Erwachsenen leiden unter dem Karpaltunnelsyndrom. Handchirurg Dr. Franz Stefan Biber klärt über Symptome und die richtige Behandlung auf.

Der Karpaltunnel. Gibt es ihn wirklich? „Es ist tatsächlich ein Tunnel am Handgelenk, der in die Hand hineinführt“, sagt Dr. Franz Stefan Biber, Chefarzt am Ameos Klinikum Mitte Bremerhaven. In diesem Tunnel befinden sich der Mittelhandnerv, der „Nervus medianus“, und die Beugesehnen, die darunter liegen und für das Beugen der Finger zuständig sind. Bei einer Verengung im Karpaltunnel schwellen die Sehnen an, die Engstelle drückt auf den Mittelhandnerv und der Druck verursacht Schmerzen.

Der Mittelhandnerv versorgt den Daumen, den Zeigefinger und den Ringfinger auf der Daumen zugewandten Seite mit Gefühl. Besonders häufig leiden unter dem Karpaltunnelsyndrom Frauen, sie machen 72 Prozent der Betroffenen aus. „Das hängt mit den Hormonen zusammen, der Östrogenspiegel kann das An- und Abschwellen der Sehnen beeinflussen“, erklärt Biber.

Karpaltunnel

Quelle: dpa

Typische Symptome treten im Schlaf auf

Bei einem Karpaltunnelsyndrom klagen Betroffene über Schmerzen und Kribbeln in der Hand. „Es geht oft damit los, dass Patienten nachts aufwachen und das Gefühl haben, dass die Hand eingeschlafen ist“, so Biber. Fälschlicherweise gehen Betroffene davon aus, dass es sich um Durchblutungsstörungen handelt, dabei ist das Kribbeln durch den Nerv verursacht. Die Schmerzen können sich auch auf den Arm ausweiten, also bis in den Oberarm „strahlen“. Mit der Zeit kann das Kribbeln in der Hand Dauerzustand werden, auch wird die Hand kraftloser und gefühlloser. In schweren Fällen kommt es zu Lähmungserscheinungen der Hand und die Greifkraft lässt nach.

Mit verschiedenen Tests nachweisbar

Um zu überprüfen, ob ein Karpaltunnelsyndrom vorliegt, empfiehlt Biber, das Empfinden des kleinen Fingers mit dem des Daumens, Zeigefingers oder Mittelfingers zu vergleichen. Denn der kleine Finger und die zum kleinen Finger gewandte Seite des Ringfingers werden von einem anderen Nerv, dem Ulnarisnerv, versorgt und sind bei einem Karpaltunnelsyndrom nicht betroffen. Wenn die Berührung des kleinen Fingers stärker gefühlt wird als bei den anderen Fingern, kann das ein Hinweis auf ein Karpaltunnelsyndrom sein. Auch gibt es den „Phalen-Test“, den der Arzt bei einem Verdacht macht. Hierbei werden die Handrücken vor dem Körper für etwa ein bis zwei Minuten aneinandergelegt. Die Handgelenke sind dabei maximal geflext. Kommt es nach dem Test zu Gefühlsstörungen wie Kribbeln oder Taubheit, ist ein Karpaltunnelsyndrom wahrscheinlich.

Der richtige Zeitpunkt, zum Arzt zu gehen
„Wenn man mal nachts wach wird, um die Hand auszuschütteln, dann sollte man noch nicht in Panik geraten. Wenn jedoch jede Nacht die Hand einschläft, dann sollte ich einen Arzt aufsuchen“, empfiehlt Biber. Zuständig ist zunächst einmal der Neurologe, der die Funktionsfähigkeit des Mittelhandnervs untersuchen kann. Hierfür misst er die Geschwindigkeit des Nervs und wie schnell dieser die Impulse in den Muskel weitergibt. Wenn diese Geschwindigkeit reduziert ist, kann im nächsten Schritt festgestellt werden, ob es sich um ein leichtes oder schwerwiegendes Karpaltunnelsyndrom handelt. Spätestens wenn die Schmerzen in der Hand und ein Taubheitsgefühl im Bereich von Daumen, Zeige- und Mittelfingern regelmäßig und intensiv auftreten, ist es ratsam, sich an einen Arzt zu wenden.

Eine Hand berührt die andere Hand.

© Monique Wüstenhagen/dpa

Wenn die Hand überlastet ist, kann es im Handgelenk schmerzen. Schuld daran könnte ein zu enger Karpaltunnel sein.

Was konservative Behandlungsmethoden bringen
Manchmal ist die Operation dringend notwendig, in frühen Phasen des Karpaltunnelsyndroms können aber auch konservative Therapien helfen. „Es gibt Nachtlagerungsschienen, die versuchen, das Abknicken der Hand zu verhindern“, erklärt Biber. Mit den Schienen, die an Inline-Schoner erinnern, soll der Druck auf den Nerv gemindert werden. Die Schiene kann laut Biber aber nur verhindern, dass sich der Kanal weiter verengt und ihn nicht wieder weiten. „Die Schienen helfen zwar, aber die Ursache ist dadurch nicht behoben.“ Bis sich eine Besserung der Symptome einstellen kann, muss die Schiene monatelang getragen werden.

Die medikamentöse Therapie des Karpaltunnelsyndroms wirkt laut Studien nicht; nur vorübergehend können die Schmerzen mit Kortison oder Entzündungshemmern gelindert werden.

Operation des Karpaltunnelsyndroms häufig

Bessern sich die Symptome durch konservative Methoden nicht, wird eine Operation empfohlen. In Deutschland werden jährlich etwa 300.000 Menschen am Karpaltunnel operiert. Es ist der häufigste Eingriff in der Handchirurgie. Auch Biber führt alle zwei Wochen eine Karpaltunnel-OP durch. Der Kanal wird bei dem Eingriff um zwei Millimeter geweitet. Direkt nach der Operation sind in der Regel die Schmerzen verschwunden, die Komplikationsrate ist gering. „Danach kann aber relativ lange die Schnittwunde schmerzen“, klärt Biber auf. Nach drei bis sechs Wochen sind die meisten Menschen wieder arbeitsfähig.

Ihr Autor

Leandra Hanke

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Erstellt:
26.09.2022, 17:59 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 13sec

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