Schweinskopfversteigerung

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Der Rodenkirchener Jannik Meyer (rechts) hat sich und seinen Freunden vom ATR-Fanclub den ersten Schweinskopf gesichert. Auktionator Andreas Decker und Markt-Urgestein Hans-Jürgen Kaliwoda (Mitte) gratulierten.

Schweinskopfauktion: Metzgermeister hört nach 40 Jahren auf

Schlachtermeister Hans-Jürgen Kaliwoda zerteilt bei der Schweinskopfversteigerung auf dem Roonkarker Mart zum letzten Mal ein Schwein.

Es hat sich ausgeschlachtet

Metzgermeister hört nach 40 Jahren auf - Suche nach Nachfolger läuft bereits

Schlachtermeister Hans-Jürgen Kaliwoda gab am Montag bei der Schweinskopfversteigerung auf dem Roonkarker Mart seinen Ausstand. Damit die traditionsreiche Veranstaltung erhalten bleibt, soll jetzt schnell ein Nachfolger gefunden werden.

Noch während Schausteller-Vertreter Dietrich „Didi“ Meier den Bier und Likör nippenden Besuchern vor der Imbissbude Weghorst noch einmal die - freilich allseits bekannten - Regeln erklärt, macht sich im hinteren Bereich ein Mann für seinen allerletzten Einsatz bereit: Hans-Jürgen Kaliwoda, Schlachtermeister und Urgestein des Roonkarker Marts, hört nach gut 40 Jahren als Fleischzerleger auf. Die Gesundheit spiele nicht mehr so richtig mit, sagt der 79-Jährige, der kürzlich eine schwere Erkrankung nur knapp überlebt hat. Am Montagmorgen schärft der pensionierte Metzger aber noch ein letztes Mal seine Messer: „Eine so lange Dienstzeit verdient ein würdiges Ende“, sagt Kaliwoda entschlossen. „Da kann man sich nicht einfach so davonstehlen.“

Um den Schinken wird regelrecht gerungen

Im Laufe der Jahrzehnte habe er rund hundert Schweinsköpfe den Besitzer wechseln sehen, sagt Kaliwoda. Die Höchstgebote seien dabei über die Jahre stetig gestiegen: „Früher haben wir mit vier Schweinsköpfen hundert Euro eingenommen. Heute bringt das ein einziger Kopf. Ich schätze, dass wir seit meinen Anfängen um die 30.000 Euro erwirtschaftet haben.“ Allerdings nicht nur mit den Köpfen, schränkt Kaliwoda ein, sondern mit den ganzen Schweinen. Neben den Schweinsköpfen werden seit einigen Jahren auch zwei Schweinehälften versteigert. Obendrauf gibt es noch einen geräucherten Schinken. „Der Schinken ist am beliebtesten“, sagt Hans-Jürgen Kaliwoda. „Um den wird regelrecht gerungen.“

Zerlegte Schweineteile

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Ein letztes Mal durfte Metzgermeister und Markt-Urgestein Hans-Jürgen Kaliwoda die Besucher von seinem Können überzeugen.

Die Schweinskopfversteigerung ist auf dem Roonkarker Mart ein nicht wegzudenkender Programmteil. Laut offizieller Lesart wurde sie Anfang der sechziger Jahre von Wilhelm Weghorst aus Nordenham erfunden. Dieser habe in seiner Imbissbude Spanferkel gegrillt und sich irgendwann gefragt, was er mit den ungeliebten Köpfen machen könne. In den ersten Jahren seien sie zugunsten des Spielmannszugs versteigert worden. Seit 1969 kommt der Erlös dem Seniorennachmittag zugute, einer Veranstaltung für betagte Menschen aus der Gemeinde Stadland in der Rodenkircher Markthalle. Damit das auch so bleibt und die Schweinskopfversteigerung auch ohne Hans-Jürgen Kaliwoda dem Roonkarker Mart erhalten bleibt, hält die Marktleitung bereits Ausschau nach einem Nachfolger. Einen offiziellen Kandidaten gebe es laut Hans-Jürgen Kaliwoda aber noch nicht.

Nachfolger gesucht

„Das müsste jemand sein, der ein Händchen für Show und Unterhaltung hat, so wie die Marktschreier auf dem Hamburger Fischmarkt“, sagt Peter Diekelmann, der sich seit 18 Jahren um die Soundanlage und Übertragung kümmert und von 2014 bis 2016 sogar selbst die Auktion geleitet hat. „Auf der Auktion geht es sehr heiter zu, da wird getrunken und gelacht. Da darf man nicht schüchtern sein.“ Der Fleischer Ronald Kortlang aus Brake sei so einer, ist Peter Diekelmann überzeugt. Doch ob dieser an dem Job überhaupt interessiert ist, wisse er nicht. Gemeinderatsmitglied Günter Busch (CDU) hat nicht ganz so hohe Ansprüche: „Hauptsache, der oder diejenige kann ein Schwein anständig zerteilen. So jemanden wird es in Norddeutschland ja hoffentlich noch geben“, sagt Busch, der als Marktausschussvorsitzender schon 47 Roonkarker Märte miterlebt hat, und stellt sich zur Auktionseröffnung in die erste Reihe.

Roonkarker Mart

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Trotz Nieselregen haben sich einige hundert Besucher vor dem Imbiss Weghorst zur Schweinskopfauktion eingefunden.

Die Versteigerung des ersten Schweinskopfes ist immer etwas Besonderes. Rückt der Käufer doch für einen Moment in den Mittelpunkt des Geschehens und kann sich der ungeteilten Aufmerksamkeit von Besuchern und der anwesenden Presse gewiss sein. Für Jannik Meyer geht es von Anfang an nicht um das Schwein, sondern um die Aufmerksamkeit. Dafür bietet er eisern mit und bleibt selbst dann noch dran, als die magische Marke von hundert Euro geknackt ist: „Ich wollte den ersten Schweinskopf um jeden Preis haben“, sagt der 26-jährige Rodenkirchener nach der Auktion. „Dafür haben ich und meine Kollegen Geld zusammengelegt. Denn es geht uns darum, eine Botschaft zu überbringen, und wir wollten sichergehen, dass sie auch jeder hört.“ Jannik Meyer und seine Kumpane von den „ATR-Ducks“, dem offiziellen Fanclub des Allgemeinen Turnvereins Rodenkirchen, protestieren gegen die Schließzeiten des Rodenkircher Marktes. Vor kurzem standen sie gemeinsam vor dem Rathaus, wo sie ein Banner mit dem Schriftzug „Finger weg von den Marktzeiten! Wann Feierabend ist, bestimmen wir“ entrollten. Jetzt also der Schweinskopf. Ob die Aktion letztlich von Erfolg gekrönt sein wird, bleibt abzuwarten. Für die „ATR-Ducks“ hat sich der Einsatz von 35 Euro aber jetzt schon gelohnt: Das ersteigerte Schweinehaupt landet später als Einlage in einer köstlichen Erbsensuppe.