Angst vor dem ewigen Gift
Die Abkürzung PFAS, gesprochen „Pifas“, steht für die Gruppe der per- und polyfluorierten Chemikalien. Auch im Kreis Stade wurden diese wegen ihrer Hartnäckigkeit auch „Ewigkeitschemikalien“ genannten Stoffe gefunden, zum Beispiel an der Elbe in Stade, in Hollern-Twielenfleth und an der Lühe-Aue. Das hat eine Recherche ergeben, an der sich unter anderem NDR und WDR beteiligten und die die potenziell krebserregenden und gesundheitsgefährdenden Stoffe in den öffentlichen Fokus rückte. Auch bei der Landesregierung, die sich zu einer Unterrichtung über das Thema „PFAS in Futtermitteln und Lebensmitteln“ im Unterausschuss Verbraucherschutz veranlasst sah.
„Die Landesregierung muss die Verbraucherinnen und Verbraucher in Niedersachsen über die Chemikalien PFAS besser informieren und darf die betroffenen Kommunen mit dem Problem nicht allein lassen“, sagt die Landtagsabgeordnete Birgit Butter (Wahlkreis Buxtehude). Wie berichtet, kann die Untere Wasserbehörde beim Landkreis bisher nicht beantworten, wie gefährlich die gemessenen Konzentrationen für Menschen oder Tiere sind, weil ihr dafür die Grundlagen fehlen.
Land warnt schon länger vor Flussfisch-Verzehr
Die jüngste Unterrichtung hat Birgit Butter in dieser Hinsicht eher beunruhigt. Sie zeigt, dass es über PFAS in Niedersachsens Gewässern schon länger Erkenntnisse gibt, die besorgniserregend, bisher aber wenig bekannt sind. So rät das Laves (niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) Anglern schon seit April 2020 vom regelmäßigen Verzehr von Fisch aus Flüssen in Niedersachsen ab – vor allem aufgrund der hohen Belastung mit PFAS. Klar wurde auch, dass die niedersächsischen Messergebnisse zwar schon lange vorliegen, aber nicht in die Recherche von NDR & Co einbezogen wurden.
In den vergangenen fünf Jahren hat das Land Niedersachsen mehr als 1 800 Lebensmittel auf PFAS untersuchen lassen, vor allem Fisch. Brassen, Aale und Zander aus Elbe, Ems, Weser, Aller und Oste wurden untersucht. Ergebnis: In allen 164 untersuchten Fischproben wurde PFOS (Perfluoroktansulfonsäure) gefunden.
Es gelten bereits mehrere EU-Verbote
PFOS ist eine der am besten untersuchten unter den mehr als 10.000 PFAS-Verbindungen. Herstellung, Import, Verkauf und Verwendung sind in der EU schon bis auf wenige Ausnahmen verboten. Feste Grenzwerte für PFOS bei Fisch gibt es noch nicht. Doch die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) hat 2020 ein Gutachten zu Gesundheitsrisiken veröffentlicht und eine „tolerierbare Aufnahmemenge“ abgeleitet.
Auf dieser Basis hat das Laves Orientierungswerte für den unbedenklichen Verzehr von 300 Gramm Fischfilet entwickelt. Bei einem wöchentlichen Verzehr dieser Menge wurden sie in 83 Prozent aller Proben überschritten, bei einem Verzehr von 300 Gramm pro Monat immerhin noch in 37 Prozent der Proben. Das Landwirtschaftsministerium hat deshalb erneut bestätigt, dass es Anglern davon abrät, regelmäßig Fische aus Flüssen in Niedersachsen zu essen. Angler gelten als „Vielverzehrer“.
Erhöhte PFAS-Gehalte in Öko-Eiern
Kürzlich wurden auch Fischmehl-Proben untersucht, nachdem aus Dänemark erhöhte PFAS-Gehalte in Öko-Eiern vermeldet wurden. Fischmehl ist oft Bestandteil von Legehennenfutter. Bei den in Niedersachsen untersuchten Proben waren die PFAS-Gehalte nicht so hoch, dass Probleme zu erwarten wären, sofern weniger als ein Prozent Fischmehl beigemischt wird. Auch Eier wurden untersucht, Höchstgehalte aber nicht überschritten. Sonst müssten die Eier aus dem Verkehr gezogen und die Legehennen gekeult und untersucht werden.
Birgit Butter wollte wissen, ob es in solchen Fällen eine Kompensation für Landwirte gibt. Die Antwort: Die Versicherungen der Landwirte würden das in solchen Fällen teilweise abdecken. Staatliche Ausgleichszahlungen gebe es nicht. „Betroffene Landwirte dürfen in diesem Fall nicht allein gelassen werden“, sagt sie. Auch, wenn Acker- und Weideflächen nicht mehr oder nur noch teilweise nutzbar sein sollten, müsse sich die Landesregierung über Entschädigungszahlungen Gedanken machen. Sie fordert auch, die Beratungsangebote der Landwirtschaftskammer über Dioxin und PCB hinaus auf PFAS zu erweitern. Ein Monitoring von Lebens- und Futtermitteln reiche nicht aus: „Über belastete Böden, aber auch Wasser können PFAS in Lebens- und Futtermittel gelangen.“ Es müsse festgestellt werden, ob und wo Böden belastet sind und über welche Eintragspfade die Chemikalien in der Umwelt landen.
Butter fordert von Regierung konsequenten Kurs bei PFAS
Butter kritisiert, dass die Aussagen des Landwirtschaftsministeriums zu PFAS sich nicht mit denen von Umweltminister Christian Meyer decken, der sich im Februar für ein PFAS-Verbot einsetzte. Nun habe das ebenfalls grün geführte Landwirtschaftsministerium in der Unterrichtung durchblicken lassen, dass die Belastung nicht so stark sei. Im Interesse der Verbraucher und der Lebensmittelproduzenten müsse sich die Landesregierung auf eine Linie einigen: „Kein Schlingerkurs bei einem so wichtigen Thema.“ (mkr)

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Die CDU-Landtagsabgeordnete Birgit Butter.