
In den ersten Lebensjahren befindet sich das Gehirn in ständigem Wachstum. Eltern können gezielt dazu beitragen, diese Entwicklung zu fördern.
Foto: millaf - stock.adobe.com
Kindliche Gehirnentwicklung fördern: Was Eltern tun können
Die kindliche Gehirnentwicklung beginnt bereits im Mutterleib. In den ersten Lebensjahren befindet sich das Gehirn in ständigem Wachstum. Obwohl die Entwicklung des kindlichen Gehirns auf natürlichem Wege abläuft, können Eltern gezielt dazu beitragen, diese zu fördern.
Wie entwickelt sich das kindliche Gehirn?
Das Gehirn ist das mit Abstand komplexeste Organ des menschlichen Körpers. Im Laufe des Lebens ist es permanenten Veränderungen ausgesetzt. Diese beginnen bereits im Mutterleib und dauern bis zum Lebensende an. Die kindliche Gehirnentwicklung kann in die embryonale und die postnatale Entwicklung unterteilt werden.
Da sich das Nervensystem bereits während der Embryonalzeit entwickelt, besitzen Neugeborene bereits ein ausgebildetes Gehirn mit rund 100 Millionen Neuronen. Das Säuglingsgehirn wiegt nach der Geburt jedoch nur ein Viertel des Gehirns eines Erwachsenen. Nach der Geburt finden im kindlichen Gehirn Verdickungsprozesse bestimmter Nervenfasern statt, die zu einem schnellen Wachstum führen. Zudem werden laufend neue Verbindungen zwischen den Neuronen geknüpft. Im Laufe der ersten Lebensjahre läuft die Gehirnentwicklung rasant ab und sorgt dafür, dass das Kind zunehmend mehr Informationen aus seiner Umwelt verarbeiten und komplexere Aufgaben bewältigen kann.
Die kindliche Gehirnentwicklung ist somit ein vollkommen natürlicher Prozess, der auch ohne das Zutun der Eltern abläuft. Dennoch kann ein falscher Umgang mit Kindern weitreichende Folgen nach sich ziehen und die kindliche Entwicklung negativ beeinflussen. Wenn Kinder während ihrer ersten Lebensjahre vernachlässigt werden und ihre natürliche Neugier nicht ausreichend ausleben können, bilden sich in ihrem Gehirn nachweislich weniger Synapsen. Ein liebevoller und aufmerksamer Umgang mit Kindern ist für deren Gehirnentwicklung also von großer Bedeutung.
Jedes Kind ist einzigartig
Beim Umgang mit Kindern sollten Erwachsene in erster Linie beachten, dass jedes Kind in seinem Charakter vollkommen einzigartig ist. Was dem einen Kind große Freude bereitet, weckt im anderen Kind kaum Interesse oder macht es sogar unglücklich. Da jedes Kind in seinem eigenen Tempo lernt und seine individuellen Stärken und Schwächen hat, gibt es kein Pauschalrezept für eine gelungene Förderung der kindlichen Gehirnentwicklung.
Um das eigene Kind zu fördern, sollten Eltern in erster Linie die individuelle Persönlichkeit, die Vorlieben und die Stärken und Schwächen ihres Nachwuchses berücksichtigen. Ein ruhigeres Kind, das beispielsweise großes Interesse an Kunst zeigt, sollte seine schöpferische Neigung ausleben dürfen und darin unterstützt werden. Dagegen sollte ein besonders lebhaftes Kind, das Interesse an sportlicher Betätigung und der Natur zeigt, den für seine Entwicklung nötigen Freiraum erhalten.
Nach der modernen Psychologie gibt es 7 verschiedene Intelligenztypen - den visuell-räumlichen, sprachlich-musischen, logisch-mathematischen, kinästhetischen, interpersonalen und intrapersonalen. Die meisten Kinder verfügen über drei, vier oder sogar mehr dieser Intelligenzen in jeweils unterschiedlicher Ausprägung. Diese Intelligenzen entwickeln sich von der frühesten Kindheit bis ins hohe Erwachsenenalter. Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung ist jedoch, dass sie entsprechend trainiert und gefördert werden.
Spielerisch lernen und die Welt entdecken
In unserer modernen Leistungsgesellschaft vertreten viele Eltern die Ansicht, dass ihre Kinder von möglichst umfangreichen und intensiven Fördermethoden besonders profitieren. Ein Übermaß an Fördermaßnahmen führt in den meisten Fällen jedoch nicht zu außerordentlichen Erfolgen, sondern zu Überforderung und Frust. Kinder benötigen besonders während ihrer jungen Jahre genügend Freiraum, um sich auszutoben und die Welt spielerisch zu entdecken.
Kinder sind von Natur aus in der Regel sehr neugierig. Sie wollen die Welt auf eigene Faust entdecken und verstehen. Sie haben zahlreiche Fragen, die sie an ihre Mitmenschen stellen, um sich neues Wissen anzueignen. Wenn Heranwachsende ausreichend Gelegenheit zum Suchen, Nachforschen und Ausprobieren erhalten, lernen sie selbstständig und mit Freude. Der natürliche Forscherdrang kann durch spannende Familienausflüge wie Museumsbesuche, Stadtspaziergänge oder Ausflüge in die Natur befriedigt und gefördert werden. Im jungen Alter sind Kinder besonders wissbegierig und freuen sich, die Welt mit all ihren Sinnen zu entdecken.

Spielerisch lernen und die Welt entdecken.
Foto: Oksana Kuzmina - stock.adobe.com
Musik und Tanz
Heute gilt als wissenschaftlich bewiesen, dass Babys bereits im Mutterleib auf Geräusche reagieren und selbst kleine Veränderungen von Tempo und Tonhöhe wahrnehmen können. Ungeborene lauschen dem Herzschlag und der Stimme ihrer Mutter sowie den Geräuschen der Außenwelt. Auf diese Reize reagieren sie schon im Mutterleib mit gezielten Bewegungen. Kinder haben deshalb bereits im jüngsten Alter ein gutes Gespür für Musik, das durch gezielte Förderung verfeinert werden kann.
Im Rahmen der musikalischen Früherziehung können Kleinkinder ihre ersten Erfahrungen mit der Musik sammeln. Dazu gehört nicht nur das Musikhören und das Singen, sondern auch das Tanzen. Die ausgelassene Bewegung zur Musik fördert unter anderem die Entwicklung der Motorik, der Sprachkenntnisse, der Kreativität und der Sozialkompetenz. Der Sehsinn, der Hörsinn und der motorische Sinn werden dabei verbunden und gleichzeitig gefördert.
Zudem lernen Kinder durch die musikalische Früherziehung einfache Instrumente wie Rasseln und Trommeln kennen. Die ersten Kontakte mit der Welt der Musik bereiten den meisten Kindern große Freude und bilden eine wertvolle Grundlage für den späteren Musikunterricht. Das Erlernen und Spielen von Instrumenten wirkt sich besonders positiv auf die Gehirnentwicklung von Kindern aus.
Buch statt Bildschirm
In der heutigen Zeit wachsen die meisten Kinder mit Fernseher, Computer, Smartphone und weiteren elektronischen Geräten auf. Eine weitaus bessere Alternative zur digitalen Unterhaltung ist das Lesen und Vorlesen von Kinderbüchern. Es gibt zahlreiche pädagogisch wertvolle Bilderbücher und Erzählungen, die bereits für die kleinsten Kinder ab dem 1. Lebensjahr geeignet sind. Kindgerechte, bunt illustrierte Kinderbücher versetzen die kleinen Leser in Erstaunen. Zudem vermitteln Bücher Wissen, schulen die Konzentration und regen die Fantasie an.
Von erzählten Geschichten werden Kinder besonders in den Bann gezogen. Ob ein selbst erfundenes Märchen oder eine wahre Geschichte aus der Vergangenheit - spannende Erzählungen können die Aufmerksamkeit von Kindern selbst für mehrere Stunden auf sich ziehen. Traum- und Fantasiereisen haben einen ähnlichen Effekt. Diese ermöglichen den Kindern, ihre innere Welt zu erkunden und sich selbst besser kennenzulernen.
Konzentration und Aufmerksamkeit
Einige Kinder sind besonders lebhaft und sitzen selten lange still. Um konzentriert lernen zu können, müssen Kinder jedoch in erster Linie ihre Aufmerksamkeit schulen. Dies erfordert nicht zwangsläufig stilles Sitzen, sondern kann auf viele verschiedene Arten geübt werden. Gesellschaftsspiele, die ein hohes Maß an Konzentration erfordern, sind hierzu genauso gut geeignet wie Wanderungen und Fahrradtouren in der freien Natur. Kinder lernen dabei, sich auf eine bestimmte Aktivität zu konzentrieren und sich weniger schnell ablenken zu lassen.
Ausflüge in die wilde Natur schärfen die Sinne der Kinder und laden zu vermehrter Aufmerksamkeit ein. Durch Begegnungen mit wilden Tieren und besonderen Pflanzen, Wind und Wetter sowie den verschiedenen Tages- und Jahreszeiten lernen Kinder ihre natürliche Umgebung kennen. Entdeckungstouren bieten den Vorteil, dass die körperliche Bewegung besonders förderliche Auswirkungen auf die kindliche Gehirnentwicklung zeigt. Jeder ausgeführte Bewegungsablauf führt dazu, dass im Gehirn neue Synapsen gebildet werden.

Kinder lernen aus Erfolgen und Misserfolgen.
Foto: Lumos sp - stock.adobe.com
Kinder lernen aus Erfolgen und Misserfolgen
Kinder lernen besonders viel, wenn sie eigenständig ausprobieren und experimentieren können. Durch den Wechsel von erlebten Erfolgen und Misserfolgen wird das kindliche Gehirn unter Spannung gehalten, was beste Voraussetzungen für das Lernen bietet. Wenn sich ein Kind mit einer neuen Aufgabe befasst und durch selbstständiges Versuchen selbst zur Lösung findet, schüttet sein Gehirn Glückshormone aus. Das selbstständige Experimentieren der Kinder kann nebenbei durch ein wenig Sachwissen ergänzt werden - beispielsweise in Form von kurzen Vorträgen oder dem Lesen kurzer Textstellen.
Eltern sollten sich zudem bewusst sein, dass die kindliche Gehirnentwicklung ein langwieriger Prozess ist. Besonders anspruchsvolle Kenntnisse und Fertigkeiten lernen Heranwachsende in der Regel nicht über Nacht. Das Gelernte muss meist mehrfach wiederholt und vertieft werden, um sich im Langzeitgedächtnis des Kindes zu verankern. In vielen Fällen ist das Beste, was Eltern tun können, geduldig abzuwarten. Sie sollten die kleinen Erfolge ihres Nachwuchses würdigen, statt große Sprünge zu erwarten. Um sich gesund zu entwickeln und ihre Talente zu entfalten, benötigen Kinder in erster Linie ein Gefühl der Sicherheit, Liebe und Anerkennung.