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Immer wieder beeindruckend: Der Büchergang im Haus Kreienhoop in Nartum. Aber im Haus verbergen sich noch mehr Überraschungen.
Kreienhoop: Ein Haus wie ein Roman
Das Kulturangebot auf dem Land ist überschaubar. Die ZEVENER ZEITUNG hat sich im Landkreis umgeschaut und ist in der Samtgemeinde Zeven doch fündig geworden. Der verstorbene Schriftsteller Walter Kempowski hat sich einst in Nartum niedergelassen.
Seit etwa 20 Jahren gibt es die Literaturnachmittage der Kempowski Stiftung. Immer am ersten Mittwoch im Monat. Oft kommen die Menschen von weiter her, um mehr über den Schriftsteller Walter Kempowski und sein Haus zu erfahren.
Ein Haus am Ende der Straße
Am Rande Nartums, am Ende der Straße, steht das Haus Kreienhoop. Ein Haus, das er sich ganz nach seinen Wünschen erbaut hat. „Das Haus ist so etwas wie ein eigener Roman“, sagt Irmela von Lenthe, die zusammen mit ihrer Kollegin Alinda van der Vooren-Tralau als Gästeführerin die Interessierten durch die Literaturnachmittage führt. Durch die vielen Anbauten, wie der Büchergang, Saal und Literatenturm, entstand mit der Zeit der Innenhof.
Ein großer, heller Raum mit Dachfenstern. An der Decke Dachbalken, an denen die Weinreben entlangranken. In der Mitte ein gedeckter Tisch, auf dem Kaffee, Tee und Kuchen stehen. Alles bereit für die Gäste, die aus Varel und Wilhelmshaven angereist sind. Für Walter Kempowski hatte der Raum inmitten seines Hauses eine große Bedeutung. Dort habe sich alles abgespielt, erzählt die Gästeführerin. „Das Teetrinken hat Kempowski zelebriert.“
„Das Haus ist so etwas wie ein eigener Roman.“
Mit dem Rotenburger Touristikverband hat die Kempowski Stiftung ein Konzept entwickelt, um den Menschen den Schriftsteller näherzubringen. Doch die Kultur auf dem Land gestalte sich schwierig, sagt die Gästeführerin.
„Von denen, die da sind, wird das Angebot sehr gut angenommen“, sagt sie. Von den Menschen aus der Region allerdings noch nicht so, wie sie es sich wünschen würden. Generell sei auch der Altersdurchschnitt bei den Literaturnachmittagen hoch. In das Haus Kreienhoop seien bis zuletzt wenig bis gar keine jungen Leute gekommen, bedauert von Lenthe. Mit Lesungen, Schulprojekten und wissenschaftlichen Tagungen werde aber daran gearbeitet - mit Erfolg. Mittlerweile finden immer mehr junge Leute ihren Weg ins Haus Kreienhoop.
Ein Haus voller Bücher und Geschichten
Nach der Stärkung geht es für die Gruppe in den hinteren Teil des Hauses. Ein lichtdurchfluteter Raum, mit großen Fenstern. Der Saal des Hauses, mit Bühne und Flügel. Wohin das Auge reicht: Bücher. In jeder Ecke, in jedem Freiraum - ein Bücherregal.
Zeven
Ein Nachmittag im Haus Kreienhoop
Beim Literaturnachmittag kommen nicht nur Literaturfans auf ihre Kosten. Wie der verstorbene Schriftsteller Walter Kempowski in seinem Haus in Nartum gelebt hat, seht ihr hier.
Aber was macht es mit einem, in einem Haus voller Lebensgeschichten und Schicksalen zu leben? Dazu sagte der Schriftsteller: „Manchmal murmeln sie, erzählen vom Krieg, ganz unverstellt.“ Durch die Fensterfront ein Blick in die pure Natur, ein Maisfeld und am Horizont das Moor. Gegenüber den Fenstern ein großer Spiegel. Das lässt den Raum noch größer wirken. Bei einigen Besuchern führt das zu Verwirrung.
Der Sunny-Boy der Gegenwartsliteratur
In einem Halbkreis setzt sich die Gruppe vor eine Leinwand, die vorab von der Gästeführerin aufgebaut wurde. Es folgt eine Präsentation mit Bildern aus der Vergangenheit von Walter Kempowski. Immer wieder greift Irmela von Lenthe auf Zitate des Schriftstellers zurück und erzählt, wer er war, was ihn bewegte und was andere über ihn sagten. So zum Beispiel sagte man über ihn, er sei ein Kreativitätspathologe, ein Tagebucherfinder oder ein kleinkarierter Landlehrer. Von sich selbst sagte er: „Ich bin der Sunny-Boy der Gegenwartsliteratur, ein hingeschissenes Fragezeichen.“
Aber wer war Walter Kempowski? Er ist am 29. April 1929 in Rostock geboren. Mit seiner Familie lebte er in einer bürgerlichen Gegend. Eine wohlhabende Familie mit Reederei und Schiffsmaklerei. Schon immer haben ihn Bücher interessiert. Für ihn waren Buchhändler Schatzmeister, erzählt von Lenthe.

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Aus Varel und Wilhelmshaven sind die Gäste zum Literaturnachmittag im September angereist.
Nachdem sein Vater im Krieg gefallen war, begann er eine Druckerei- und Kaufmannslehre in Rostock. Danach lebte er einige Zeit im Westen, bevor er und sein Bruder bei einem Besuch der Mutter in der damaligen sowjetisch besetzten Ostzone zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt wurden. Sie kamen nach Bautzen ins „Gelbe Elend“. Nach acht Jahren wurde er vorzeitig entlassen. 13 Jahre später wurde sein Erstlingswerk „Im Block“ veröffentlicht, in dem er die Zeit in Bautzen verarbeitet hat.
Als Junglehrer kam er dann nach Breddorf und anschließend nach Nartum. Mit seinem zweiten Roman „Tadellöser und Wolff“ kam der Durchbruch und Platz eins auf der Spiegel Bestseller-Liste, wie von Lenthe erzählt. Am 5. Oktober 2007 starb Walter Kempowski.
Eine etwas andere Literatur
Was die Literaturnachmittage ausmacht, sei sicherlich die etwas andere Literatur, durch die sich Walter Kempowski auszeichnet. Die „interessante Art“, wie er das Kriegsgeschehen geschildert hat, fasziniert Irmela von Lenthe. Sie selbst beschreibt seine Arbeit als eine Art Mahnmal.
„Ich denke, viele haben das Bedürfnis, noch mal über den Krieg zu reden und sich auszutauschen“, sagt die Gästeführerin. Die Arbeit im Haus Kreienhoop sei die Pflege einer Erinnerungskultur. „Und deshalb wollen wir das hier unbedingt wachhalten.“
Irmela von Lenthe

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