
© Saskia Harscher
Michael Ruhnau ist Diplom-Biologe, Dozent und Schafzüchter. In Bülstedt hält er Rauhwollige Pommersche Landschafe. Seine Herde besteht aus rund 50 Tieren.
Diese Schafe sind Alleskönner
Sie sind eher schmal und ihre Wolle ist grau. Rauhwollige Pommersche Landschafe sind nicht das, was der Markt verlangt: Fleisch und Wolle, die sich industriell leicht verarbeiten lässt. Michael Ruhnau setzt dennoch auf sie und hat dafür gute Gründe.
Dass es die Rauhwolligen Pommerschen Landschafe überhaupt noch gibt, liege an einigen „Querköpfen“, sagt Schafhalter Michael Ruhnau. Man kann auch sagen, es hat an einigen Mutigen gelegen. Denn diese Züchter haben in der ehemaligen DDR an diesen Tieren festgehalten. Obwohl die Staatsführung sehr dagegen gewesen sein soll und die Zucht offiziell verboten habe. „Diese Rasse war in der DDR nicht erwünscht, sie galt als rückständig“, sagt Ruhnau.
Mittlerweile wisse man es besser. Ursprüngliche Schafe, wie etwa die Rauhwolligen Pommerschen Landschafe, haben den fleisch- oder wolllastigen Rassen einiges voraus: Sie sind widerstandsfähig und können sich gut an veränderte Wetterbedingungen anpassen. Flexibilität, die umso wichtiger wird, je mehr die Lebensumgebung der Tiere sich wandelt.

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„Außer Eier legen können sie alles“, sagt Michael Ruhnau über seine Rauhwolligen Pommerschen Landschafe. Der Bülstedter bezeichnet die Tiere als ideale Selbstversorger-Schafe: Sie liefern Wolle, Fell, Fleisch und aus der Milch macht der Schafzüchter Käse.
Beim Treffen mit Schafhalter Ruhnau ist es heiß. Fast 30 Grad schon um 9 Uhr morgens. Und es ist trocken. Seit Wochen hat es nicht geregnet. Das Gras auf der Weide am westlichen Rand Bülstedts ist nicht grün, sondern braun-beige und völlig vertrocknet. „Das ist unsere Provence-Wiese“, ruft Ruhnau und lacht. Für seine Schafe reicht diese Fläche als Futtergrundlage dennoch aus. Er füttert nur im Winter zu mit Heu und einer Mischung aus Erbsen und Triticale von einem Biobauern aus der Region. Ruhnau stellt rasch sein Fahrrad ab, schnappt sich den Eimer mit Leckerchen, Äpfel und altes Brot, und marschiert zu seinen Tieren. Was er dann sagt, geht unter in dem lauten „Mäh“, „Mäh“, „Mäh“ der Tiere. Auf diesem Stück hält der Bülstedter Schafe, die noch nicht gelammt haben oder solche, die Bocklämmer hatten.
Der männliche Nachwuchs steht auf der anderen Seite des Ortes, gemeinsam mit Zuchtbock Max. Insgesamt hält Ruhnau 50 Tiere.
Tarmstedt
Diese Rauhwolligen Pommerschen Landschafe aus Bülstedt sind Alleskönner
Michael Ruhnau aus Bülstedt züchtet Rauhwollige Pommersche Landschafe. Die Tiere wären beinahe schon von der Bildfläche verschwunden. Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) und Züchter wie Ruhnau setzen sich für deren Erhalt ein. Für Schafzüchter Ruhnau sind die Tiere optimale Selbstversorger-Schafe. Er selbst vermarktet Wolle, Fell und das Fleisch der Tiere. Für den Eigenbedarf stellt er auch Käse aus Schafsmilch her.
Rasse wäre beinahe ausgestorben
1987 gab es von dieser Rasse nur noch sieben Schafböcke und 45 weibliche Tiere. Ein Rest. Heute hat sich der Bestand erholt, Ruhnau spricht von mehreren tausend Tieren. Die meisten dieser aus dem Ostseeraum stammenden Schafe stehen in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Niedersachsen sind die Pommerschen beliebt. Ruhnau hat sich die Rauhwolligen Pommerschen Landschafe in den Neunzigerjahren angeschafft. „Ich wollte eine Rasse, die gut in diese Region passt“, sagt er. Und er wollte Tiere, die menschenbezogen sind.
Die Schafsdamen auf der hübschen „Provence-Wiese“ sind dies fraglos. Nachdem sie die Besucherin einige Minuten mit etwas Abstand betrachtet haben, suchen sie Kontakt. Sie beschnuppern das Kamera-Objektiv, prüfen, ob sich in der dunklen Tasche etwas Interessantes versteckt, stellen sich ganz dicht an die beiden sitzenden Zweibeiner und atmen ihnen in die Ohren. Einige Tiere legen sich hin und beginnen mit dem Wiederkäuen. Idylle pur an einem Morgen im Spätsommer. Ruhnau nimmt wahr, dass Besuch und Schafe sich gut verstehen und lächelt. Dann erzählt er, dass die Schafe sich eigentlich auch sehr gut für therapeutische Arbeit einsetzen ließen.

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Die Wolle der Rauhwolligen Pommerschen Landschafe ist entgegen ihrem Namen weich. Sie ist lang und lässt sich sehr gut verarbeiten.
Doch erst einmal möchte er mit einem Missverständnis aufräumen. Rauhwollige Pommersche Landschafe. Schon allein aus Marketing-Gesichtspunkten ein unmöglicher Name. Wer kauft schon Wolle, die rau ist, fragt er und schiebt nach, dass er davon ausgehe, dass es eigentlich Grauwollige Pommersche Landschafe geheißen haben muss. Denn die Wolle der Tiere sei weich. Aus der Wolle seiner Tiere lässt er Wolldecken fertigen und Steppbetten. Viele kaufen die Wolle unbehandelt und verarbeiten sie direkt aus dem Vlies. Außerdem arbeitet er mit Nordwolle, einem jungen Start-up zusammen, das nachhaltige Outdoor-Kleidung aus Wolle fertig. Der Jungunternehmer von Rügen kaufe ihm seine Wolle zu einem guten Preis ab. Obwohl diese grau und nicht weiß ist. Ruhnau bekommt 1,30 Euro pro Kilo. Sonst bekomme man 50 Cent für ein Kilo weiße Wolle.

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Schafzüchter Michael Ruhnau braucht keinen Wagen. Er bringt seine Herde zu Fuß zu seinen Weideflächen. Selbst Strecken von 10 Kilometern oder mehr bewältigen die Tiere problemlos innerhalb kurzer Zeit.
Auch das Fleisch vermarktet Ruhnau und er melkt einige Tiere im Frühjahr und stellt Käse für den Eigenbedarf her. „Es sind Nutztiere und dazu gehört für mich auch, dass sie gegessen werden“, sagt er. Er könne das für sich rechtfertigen, denn die Tiere hätten zuvor ein gutes Leben und würden respektvoll und gut behandelt. Nur Liebhaben reiche nicht, um eine Rasse zu erhalten, sagt Ruhnau. Der Schafzüchter ist mit seinen Tieren auch viel unterwegs. Zum Umweiden Auto und Anhänger nutzen? Wieso das denn? „Die haben doch Beine und können laufen“, sagt er. Zehn Kilometer oder mehr sind für ihn und die Tiere kein Problem. Eines nimmt er an die Leine, die anderen trotten verlässlich hinterher. Im Dorf kennen sie das schon, wenn Ruhnau mit seinen Tieren unterwegs ist. Die Pommerschen eignen sich seiner Einschätzung nach sehr gut als Selbstversorger-Schafe. Zwei Tiere müsse man aber wenigsten halten, damit die Tiere nicht vereinsamen, betont er und sagt: „Außer Eier legen können die eigentlich alles.“
(www.michael-ruhnau.com)
Pommersches Landschaf
Das Rauhwollige Pommersche Landschaf ist besonders in Nord- und Ostdeutschland verbreitet. Es gilt als genügsam und widerstandsfähig. Die Schafe können ganzjährig auf der Weide gehalten werden.
In den Achtzigerjahren galt das Rauhwollige Pommersche Landschaf als fast ausgestorben. Heute sprechen Experten bei der Rasse von einer Beobachtungspopulation. Im Herdbuch werden rund 230 Böcke und 3.050 Mutterschafe geführt.
Männliche Tiere wiegen zwischen 70 und 80 Kilogramm und werden bis zu 75 Zentimeter hoch. Die weiblichen Tiere bringen ein Maximalgewicht von 65 Kilo auf die Waage. Ihre Größe schwankt zwischen 60 und 65 Zentimetern.
Die Lämmer werden mit schwarzem Fell geboren. Die Farbe der erwachsenen Tiere soll grau, grau-blau oder blau sein.
Bekannt und beliebt ist die Rasse wegen ihrer Wolle. Diese lässt sich gut verarbeiten und gefällt wegen ihrer Farbe und ihrer Haltbarkeit. Außerdem ist die Wolle - entgegen dem Namen der Tiere - weich und nicht rau.
Trotz vieler Kreuzungsversuche mit Fleischschafen konnte das Rauhwollige Pommersche Landschaf als Fleischerzeuger lange Zeit keinen Einfluss gewinnen. Die Tiere sind nach wie vor eher schmal.

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Das Rauhwollige Pommersche Landschaf steht auf der Liste der gefährdeten Haustierrasse. In den Achtzigerjahren war es beinahe ausgestorben. Inzwischen hat sich der Bestand etwas erholt. Mehre tausend Tiere gibt es mittlerweile wieder.
Das sind ideale Selbstversorger-Schafe. Außer Eier legen können die alles.
Schafzüchter Michael Ruhnau aus Bülstedt

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