Wie Wald dem Klimawandel trotzt
„Wir wissen erst in 30 Jahren, welche Bäume am anpassungsfähigsten sind“, sagt
Siegfried Rakowitz beim Waldspaziergang des Grünen Ortsverbands Gnarrenburg und liefert während der Wanderung spannende Fakten gegen die Ideologie.
Anders als beim ersten Versuch, lag beim Nachholtermin am 24. März kein Schnee. Bei strahlendem Sonnenschein versammelten sich über 20 Waldinteressierte am Wanderparkplatz im Norden des Beverner Waldes, um Siegfried Rakowitz, Revierförster der Niedersächsischen Landesforsten im Forstamt Harsefeld, durch den Wald zu folgen und seinen Erklärungen zu lauschen. Siegfried Rakowitz beobachtet schon seit vielen Jahren die klimatisch bedingten Veränderungen in seinem Revier.
Klimastabile Wälder seit über 35 Jahren
Zusammen mit seiner Jagdhündin Fine, die keine Lust auf die ganzen Pausen hatte, erklärte Siegfried Rakowitz seinen Gästen bei der Wanderung durch den Wald, was er gegen die Schädigungen des Klimawandels unternimmt. „Dieser Wald ist ein klimastabiler Mischwald seit über 35 Jahren“, erläuterte der Förster, „hier wachsen Nadelbäume wie Fichten, Tannen, Kiefern und Lärchen ebenso wie die Laubbäume Buchen, Ahorn, Eichen, Eschen, Erlen und andere.“ Dam-, Reh- und Schwarzwild hätten hier ebenso ihr Zuhause wie Fuchs, Dachs, Hase und Wolf, außerdem zahlreiche Vögel, Insekten, Fledermäuse, Molche, Feuersalamander und Frösche.
Behutsam eingreifen, um den Mischwald zu erhalten
Bei einem ersten Stopp vor einer Fläche mit Buchen und Eichen erläuterte Rakowitz, dass um den Erhalt des Mischwaldes willen hier eine bestimmte Anzahl an Buchen entnommen werden müsse, sonst überwüchsen sie die Eichen. „Wenn wir nicht behutsam eingreifen, gibt es in 50 Jahren keinen Mischwald mehr.“ Im Weiterwandern wies er auf die vielen umgestürzten, toten Bäume hin. „Totholz bleibt bei mir im Wald liegen, auch wenn ich ständig Anrufe bekomme von Leuten, die meinen, das sähe doch schrecklich unordentlich aus.“ Dass Totholz ein sehr wichtiger Lebensraum für Insekten, Pilze und andere Waldbewohner ist, scheint immer noch nicht überall bekannt zu sein.

© Renate Warren
Die Jagdhündin Fine wäre lieber durch den Wald getobt.
„Wir arbeiten hier seit Jahren nach dem LÖWE-Programm der Niedersächsischen Landesforsten, dem Programm für Langfristig Ökologische Wald-Entwicklung“, so Siegfried Rakowitz. Dazu gehören Themen wie Bodenschutz, Laub- und Mischwaldvermehrung, eine natürliche Waldverjüngung, aber auch die Verwendung von fremdländischen Baumarten. In langjährigen Anbauversuchen haben diese Arten bewiesen, dass sie die heimischen Waldökosysteme in ihrer Leistungsfähigkeit, Stabilität und Elastizität nicht beeinträchtigen. „Hier in unserem Wald sind das die Douglasie, die Roteiche oder auch die Amerikanische Eiche.“
In Naturschutzgebieten oder FFH-Gebieten sei das Anpflanzen dieser fremden Bäume verboten, erklärt Rakowitz. Aber außerhalb dieser Zonen hätte er bereits erfolgreiche Anpflanzungen erreicht. Die Frage einer Besucherin, ob „die Fremdlinge“ eine negative Auswirkung auf die an heimische Bäume adaptierten Insekten und Vögel hätten, verneinte er. „Die Roteiche hat genauso ein Blätterdach wie unsere Eiche, sie hat eine Wurzel, die mit der Klimaveränderung gut klarkommt, und die Häher fressen ihre Eicheln genauso gerne.“ Nur das Holz sei etwas weicher, aber auch das hätte bereits viele Abnehmer gefunden, etwa Parketthersteller in Dänemark.
Versuch macht klug, auch in Sachen Wald
Der Förster führte seine Gäste zu einer Versuchsplantage. „Hier haben wir erfolgreich heimische Eichen auf kleinen Wällen angepflanzt. Es ist uns durch eine spezielle Bodenbearbeitung mit Baggern gelungen, auf diese Weise die Setzlinge in der Anwachsphase vor nassen Füßen zu bewahren, und jetzt stehen sie prächtig da.“ Rakowitz leugnete aber nicht, dass diese Bodenbearbeitung auf Jahre hin die Kleinstlebewesen und die Kapillartätigkeit des Bodens negativ beeinflussen würde. Es sei immer ein Versuch, ein Ausbalancieren, was möglich ist. Was er damit meinte, zeigte er in einem anderen Versuchsgebiet:
Hier war nicht gebaggert worden, sondern man hatte die Eichensetzlinge in händisch ausgehobene Grablöcher gesetzt, auf natürlicher Bodenhöhe. Die Folge: Die Fläche stand schon im Frühjahr des Pflanzjahres unter Wasser, ein Gutteil der jungen Bäume sei „ersoffen“. „Das liegt an dem Lauenburger Ton, der hier in etwa anderthalb Meter Tiefe vorhanden ist und das Wasser festhält“, so der Förster. Aber im Sommer, wenn die inzwischen normal gewordene Trockenheit einsetzt, könne auch der Ton das Wasser nicht mehr zurückhalten. Dann würden viele Flachwurzler, insbesondere die Fichte, absterben.
Eine intelligente, behutsame, naturschonende Waldwirtschaft
Natürlich kam bald die Frage auf, was in seinem Wald denn das Problem sei, wenn seit Jahrzehnten wie von der Politik gewünscht nach ökologischen Gesichtspunkten Mischwaldwirtschaft betrieben würde. Siegfried Rakowitz zog eine kleine Münze aus der Tasche. Ein 50-Pfennig-Stück aus alten Zeiten, auf dessen einer Seite eine kniende Frau einen Baum, vermutlich eine Eiche, pflanzt. Was hatte es damit auf sich?
Während und infolge des Zweiten Weltkrieges wurden riesige Flächen in Niedersachsen kahl geschlagen. Die Holzmengen dienten der Kriegswirtschaft, dem Wiederaufbau, als Gruben- und Brennholz sowie der Reparation. In den Nachkriegsjahren folgte die Wiederbewaldung vor allem mit Fichte und Kiefer. „Diese Münze zeigt die Powerfrauen von damals, die in buchstäblich ganz Niedersachsen auf Knien die dringend benötigten, schnell wachsenden Nadelbäume angepflanzt haben. Diese Frauen haben meine Hochachtung“, erklärt Rakowitz.
„Heute pflanzen wir natürlich ganz anders an“, fuhr Rakowitz fort, „aber auch die jetzt herrschende gegenteilige Ideologie, die Natur in Schutzgebieten komplett sich selbst zu überlassen, führt uns nicht weiter.“ So würden schnell wieder Monokulturen entstehen. Es brauche eine intelligente, behutsame, naturschonende Waldwirtschaft.
Der Wolf hat in seinem Revier einen Platz
Um Ideologie ging es ein paar Stationen weiter auch beim Thema Wolf, nach dem natürlich einige Gäste fragten. Auch hier vertrat der Förster die Ansicht, dass sowohl Tierschützer als auch Jäger oft Extrempositionen verträten. „In meinem Revier hat der Wolf selbstverständlich seinen Platz“, sagt er. Aber die Sorgen und Nöte der Weidetierhalter dürften nicht übersehen werden. Es gehe wie immer um eine Balance in der Natur. „Der Wald ist ein Gesamtökosystem, in dem Tiere wie Pflanzen ihren Platz haben und aufeinander angewiesen sind.“ Nach dem zweistündigen Spaziergang haben sich die Gäste mit viel neuem Wissen von Siegfried Rakowitz verabschiedet. Und auch Hündin Fine hatte endgültig genug.(pm/wei)